Antidemokratisches Österreich

 Heute war Landtagswahl in Oberösterreich und ich möchte diesen Anlass nutzen um mich etwas über die antidemokratischen Strukturen zu beschweren. 

Vor einigen Jahren hat eine politische Initiative versucht die Parteistrukturen der SPÖ zu demokratisieren (Initiative Kompass), was bekanntlich gescheitert ist. Ich möchte kurz über die Sinnhaftigkeit demokratischer Parteistrukturen reden und was die Konsequenzen wären sollte man soetwas umsetzen.

Anfangen sollte man vielleicht mit der Haltung der Parteispitze. Hier ist es aufschlussreich wenn man die SPÖ mit einer, ideologisch eher auf den ersten Blick weit entfernter, Organisation verlgeicht, nämlich der katholischen Kirche. Vor einigen Jahren hat es innerhalb der Kirche etwas rumort, weil sich die Kirchenmitglieder eine größere Rolle für Frauen gewünscht hätten, und zum Teil ein Ende des Zölibats gefordert haben. Die Kirchenobrigkeit hat auf die Kritik aus den eigenen Reihen so reagiert: nämlich sie haben "Gehorsam" gefordert und haben gemeint, wenn jemand mit dem Weg der Kirche unzufrieden ist, sollen sie nichts öffenlich darüber sagen, sondern leise einen Brief schreiben (dann kann unliebsame Kritik leichter ignoriert werden xD). 

Als Atheist ist mir die Kirche eher egal, aber was spannend ist, ist das die SPÖ identisch auf Kritik von Innen reagiert hat wie die Kirche (wenn die Organisationsstrukturen ähnlich Authoritär sind, nähert sich anscheinend auch die Kultur an..). Die SPÖ kann sich aber nicht erlauben das Wort "Gehorsam" zu verwenden, so schamlos Authoritär kann nur die Kirche sein, die ist immerhin schon Jahrhunderte alt ist und aus einer Zeit kommt wo man sich für seine authoritäre Haltung noch weniger oder gar nicht geschämt hat. Deshalb hat die SPÖ Parteispitze den selben Inhalt etwas anders verpackt und hat "Geschlossenheit" gefordert. "Geschlossenheit" demonstrieren, hinter den zentralen antidemokratischen Entscheidungen der Parteiobrigkeit ist aber inhaltlich nicht von "Gehorsam" zu unterscheiden. Selbstverständlich demonstriert man "Geschlossenheit" nicht indem die Parteispitze nachgibt und die Parteistrukturen demokratisiert, sondern umgekehrt.. :/

Aber die Parteimitglieder die sich demokratischere Strukturen gewünscht hätten, müssen nicht enttäuscht sein, denn wenn sie unzufrieden sind, können sie einfach einen Brief an die Parteispitze schreiben, dann werden sie sicher Ernst genommen, genauso wie unsere Freunde in der Kirche.... 

Warum sollte man eigentlich demokratischere Parteistrukturen haben? Dazu möchte ich auch kurz etwas sagen.. natürlich ist es letztendlich eine Wertefrage, wenn man an Demokratie glaubt sollten die Volksvertreter auch vom Volk gewählt, und nicht von Parteikardinälen installiert werden. Aber es hat auch einige Interessante politische Konsequenzen auf die ich eingehen möchte. 

Erstens liefert es einen demokratischen (und deshalb legitimen) Mechanismus wie man die inhaltliche Ausrichtung der Partei beeinflussen kann. Soll die SPÖ weiter Wasserträger für Export-, Medien-, und Staatsunternehmen sein, oder sollte die SPÖ die Interessen der Arbeiter ernster nehmen. Die Parteimitglieder könnten entweder Laufburschen der "Wirtschaft" wählen oder Gewerkschafter. Dann müssten wir nicht immer von schleimigen bürgerlichen Politikern "vertreten" werden, sondern könnten sympatischere "normale" Leute in der Politik haben, die auch ein besseres Gespür dafür haben wo bei den Arbeitern der Schuh drückt (und nicht wie man heilige rosenblütenscheißende Unternehmer "entlastet" *hust* steuern kürzt *hust*).  

Eine zweite Konsequenz eines demokratischen personellen Entscheidungsmechanismus wäre, dass es einer Parteizersplitterung vorbeugen könnte. Das ist der SPÖ zwar (noch) nie passiert, aber eigentlich jeder anderen Partei. Normalerweise passiert das wenn sich irgendein Egomane aus Eigennutzen verselbstständigen will. 

Bei den Grünen war das der Hr. Pilz, der mit dieser Aktion verhindert hat dass es die Grünen in den Nationalrat schaffen, der hat dann wegen "MeToo" zurücktreten müssen. Bei den Freiheitlichen hat sich der Hr. Haider verselbstständigt und damit die FPÖ in eine Krise gesteuert, von der sie sich erst nach seinem ableben erholt hat. Und bei der ÖVP hat sich ein industrieller Parteispender verselbstständigt, was auch dazu geführt hat, dass die ÖVP Stimmen verloren hat (Stronach). Erst nachdem das Team Stronach, aufgrund von schlechtem Management, zerfallen ist, hat sich die ÖVP wieder erholt und ist in etwa auf das Prä-Stronach-Niveau zurückgekommen. Die Medien schrieben das aber nicht dem Zerfall des Team Stonrach zu, sondern nannten es den "Kurz Effekt". Obwohl es offensichtlich nicht am Kurz gelegen ist, was man daran sieht, dass bei den Grünen und bei der FPÖ dasselbe passiert ist. und bei diesen Parteien ist keine charismatische Persönlichkeit zum Vorschein gekommen (v.a. nicht bei den Grünen...) ;-)

Warum würden demokratische Parteistrukturen soetwas verhindern?! Naja, weil dann hätte der Hr. Pilz in einer Parteiinternen Vorwahl gegen wenauchimmer antreten können, und die WählerInnen hätten eine Entscheidung treffen können, in welche Richtung die Partei gehen soll. Nach der parteiinternen Wahl hätten sie dann geschlossen in den allgemeinen Wahlkampf gehen können, stattdessen haben sie Peter Pilz mehr oder weniger im Hintergrund gelassen (was bei Egomanen nicht gut ankommt xD) und aus Frust hat er dann seine eigene Partei gegründet. Ähnliches gilt für die ÖVP und vor allem die FPÖ (die hätte mit Strache beinahme nocheinmal dasselbe durchgemacht.. mein Mitleid hätte sich in Grenzen gehalten xD)

Ein weiterer Grund ist wahlkampftaktisch... nämlich wenn man eine parteiinterne Wahl abhält, ist der Kandidat der als Sieger hervorgeht "kampfgetestet". Wenn der Kandidat von der Parteispitze installiert wird, ist dem nicht so. Und sogar wenn die Parteimitglieder demographisch und kulturell nicht mit dem Durchschnittswähler in einer allgemeinen Wahl übereinstimmen, sind sie dem durchschnittlichen Wähler doch näher wie bürgerliche, studierte, kulturell abgeschottete (oft unternehmernahe) Parteikardinäle.. Dass soetwas funktioniert sieht man am Bsp der USA. Der Sieger der letzten beiden Präsidentschaftswahlen war der Kandidat der am meisten innerparteiliche Konkurrenz gehabt hat! Das widerspricht dem konventionellen Irrglauben der Parteispitze dass man parteiinterne Kritik verhindern soll, weil dass der Partei schadet. Im Gegenteil führt ein lebhafter Wahlkampf dazu dass der stärkste Kandidat als Sieger hervorgeht. (Trump und Biden haben sich jeweils gegen mehr als 10 (!) Kandidaten durchgesetzt) Unsere Politiker sind oft extrem uncharismatisch und verschlafen, außerdem wirken sie oft wie (schlechte) Schauspieler xD und wenig authentisch. 

Vielleicht sollte man auch das Thema Korruption anspechen. Authoritäre Strukturen fördern bekanntlich Korruption (was man auch an den Problemen im Vatikan sieht..) weil alle Entscheidungsträger von der Korruption profitieren und nur Außenstehende dagegen sind. Wenn ein Politiker an die Macht kommt indem er von seinen Freunden installiert wird, die bereits in der Politik sind, oder die er aus parteinahen Vereinen, wo hauptsächlich Manager, Unternehmer drinnen sind (und deren Kinder..) kennt. Dann verdankt er natürlich seinen Verbindungen (und eventuell Großspendern..) dass er im Amt ist und nicht primär der Wählerschaft. V.a. auch deshalb weil ein Sieg einer gewissen Partei oft demographisch vorbestimmt ist (Land --> ÖVP, Stadt --> SPÖ), wenn man also für eine gewisse Partei ins Rennen geschickt wird, ist der Sieg (oft) mehr oder weniger garantiert. Dann representieren diese Politiker, neben ihren eigenen Interessen, die Interessen der Großspender und die Interessen von ihren Vereinsfreunden weil sie ja ihre Position diesen Leuten verdanken. Außerdem wartet auf diese Politiker nach ihrer Amtszeit oft ein warmer Platz im Vorstand einer großen Firma, oder sie gehen auf "Korruptionstour" und lassen sich fürs Redengeben bezahlen, oder sie gründen gleich eine Lobbyingfirma (oft verharmlost als "Beratungsunternehmen" bezeichnet) und lassen sich so für ihren Service an die "Wirtschaft" auszahlen. So oder so wäre es viel besser wenn die Politiker ihr Amt der Wählerschaft  und den Parteimitgliedern verdanken würden und nicht der Wirtschaftsobrigkeit und anderen Politikern.

Zum Abschluss möchte ich nur noch sagen wie traurig dass ich es finde, dass es in Österreich keine starken demokratischen Strukturen gibt. Bei uns in OÖ sitzt z.B. der Hr. Stelzer schon seit der ehemalige Landeshauptmann Pühringer zurückgetreten ist, im Amt. Ohne dass ihn je jemand gewählt hat. Er wurde einfach von der Parteispitze installiert. In der österreichischen Politik geht es oft so zu wie bei Microsoft Windows: es kommt vorinstalliert, updated sich automatisch und hin und wieder musst du irgendwo zustimmen (das nennt man dann "Wahl"). Heute wurde "unser" Landeshauptmann Stelzer zum ersten mal gewählt obwohl er schon länger regiert. Er hat also bei dieser Landtagswahl den unfairen Vorteil gehabt dass ihn schon jeder im Amt, im Fernseher, bei Veranstaltungen, etc jahrelang gesehen hat. Keiner der etwas von Demokratie hält sollte soetwas gutheißen..

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