Vor- und Nachteile der freien Meinungsäußerung

 In meinem letzten Blogpost habe ich mich über die Lage in Österreich bzgl der freien Meinungsäußerung beschwert, zu recht 😉 . In diesem Blog möchte ich etwas darüber reden wie sich mehr freie Meinung auf die Gesellschaft auswirken würde, und was für Vor- und Nachteile soetwas hätte. Dabei sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass was ein Vor- bzw. Nachteil ist oft eine Wertefrage ist (ich sehe einige "Nachteile" nicht als etwas negatives, was man an meinen Beispielen sehen wird). 

Ich möchte mit einem ganz großen "Nachteil" (wie schon gesagt.. Wertefrage..) anfangen, der gerne angeführt wird. In einem Blog habe ich erst vor kurzem gelesen (obwohl der Blogeintrag von 2017 ist) wie sich ein Journalist über das "stammtischgerede" im Internet beschwert hat. Der Blog ist auf jedenfall lesenswert, dieser Herr hat komplett entgegengesetzte Werte von mir xD (Link: https://einfachpolitik.tumblr.com/post/155448042248/und-wegen-dem-schei%C3%9Fdreck-will-er-den-anzeigen). 

In diesem Blog wird klar was, v.a. Leuten aus bürgerlichen Milieu, an der freien Meinungsäußerung stört, nämlich dass sie vulgären Formulierungen der unteren Schichten ausgesetzt werden, von denen sie sich normalerweise kulturell abschotten. Er beschwert sich über Aussagen wie "der gehört an die Wand" und "schießts erm nieder", was ja eigentlich alltägliche Äußerungen sind die man immer wieder hört wenn es etwas emotionaler zugeht (wie z.b. bei politischen Diskussionen xD). Der Blogauthor ist dann zur Polizei gegangen um Anzeige zu erstatten und wurde dort von der Polizistin ausgelacht. "Jo….wegen dem Scheißdreck will er den anzeigen…is eh nix" soll sie gesagt haben. Er sagt aber auch dass seine Journalisten Kollegen ihm alle recht gegeben haben, dass man mit solchen Aussagen schon "ziemlich weit im Strafrecht" drinnen ist.

Sehen wir mal davon ab wie sympathisch die Polizistin und wie normal ihre Reaktion ist xD und konzentrieren wir uns auf die Kultur der Bürgerlichen. Die Bürgerlichen sind es nicht gewohnt, dass sie Vulgaritäten, Beleidigungen oder (manchmal auch) Kritik hören müssen. Bürgerliche haben eine Art Prinzessinenkultur, sie empfinden alles was sie nicht hören wollen als skandalös und wollen es unterbinden, wenn nötig mit staatlicher Hilfe. Als normaler Mensch hat man einfach eine dickere Haut wie diese Leute, aber leider sind die Bürgerlichen ja einflussreicher, sie sitzen in den Medien, Chefetagen, Gerichtssälen und natürlich in der Politik und dehalb ist es nicht verwunderlich dass ihre Meinungen und Werte stärker in den Gesetzen und in den Medien vertreten sind. 

Zu diesem "Nachteil", nämlich dass man Sachen hören muss die man als beleidigend oder unhöflich empfindet, kann ich leider nicht viel mehr sagen als dass was die Polizistin gesagt hat "Wegen dem Scheißdreck will er den anzeigen" xD. Bürgerliche wird man nicht davon überzeugen können dass freie Meinungsäußerung wichtig ist, weil sie sich immer vom Staat vor Vulgaritäten, Kritik, Beleidigungen beschützen lassen wollen und ihre zerbrechlichen Gefühlchen sind ihnen dabei immer wichtiger wie irgendwelche Prinzipien. (Drohungen waren die Zitate ja nicht, er hat ja nicht gesagt "ich schieß dich nieder" oder "ich stell dich an die Wand", sondern er will nur dass das passiert.. wenn du zu jemanden sagst: "deine Jacke gehört wiedereinmal gewaschen", dann ist das ja auch kein Angebot dass du sie ihm wäschst..)

Ein weiterer Nachteil von "zu viel" freier Meinungsäußerung ist, dass in einer Welt wo Meinungsfreiheit herrscht, ein jeder Sachen sagen kann die den Ruf einer Person schädigen können (ein Nachteil für die die kritisiert werden). Ein Interessantes Beispiel ist hier die Frauenbewegung aus den USA, die in aller Öffentlichkeit Männern Straftaten unterstellt haben. Sie haben ihnen unterstellt dass die Herren sie sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt haben. So eine Bewegung hätte von Österreich niemals ausgehen können, weil es in Österreich illegal ist jemanden öffentlich eine Straftat zu unterstellen, v.a. wenn der Betroffene nicht für ein derartiges Verbrechen verurteilt wurde. Österreichische Frauen haben deshalb auf die Amerikaner warten müssen und dann konnten sie in ihrem Windschatten auch einige Fälle aufzeigen. Das führte bekanntlich zu einigen Rücktritten in der Politik. Ein stärkerer Schutz der freien Meinungsäußerung (wie ihn die Amerikaner haben) verhindert dass man mit Klagen oder Anzeigen öffentliche Debatten im Keim ersticken kann und es ermöglicht, gegen den Willen des Bürgertums, kulturelle Fortschritte zu machen, und gewisse fragwürdige Aktivitäten (oder Verbrechen) zumindest in den Augen der Mehrheit bloßzustellen, auch wenn es dann immer oft noch keine rechtlichen Konsequenzen gibt. Und da geht es jetzt nicht nur darum, dass mächtige Leute oft über dem Gesetz zu stehen scheinen (was natürlich der Fall ist..), sondern es geht auch darum dass man soetwas nicht immer beweisen kann, weil es vielleicht keine Zeugen oder irgendwelche Aufzeichnungen gegeben hat. Wenn es FMÄ gibt, dann kann man es immerhin öffentlich ausdiskutieren, das ist besser als nichts.

Man könnte auch einigen Firmen fragwürdige oder kriminelle Aktivitäten unterstellen in der Hoffnung dass sie sich aus PR Gründen ändern (wieder: die Amerikaner sind hier ein gutes Beispiel. Firmen wie Monsanto oder gewisse Ölkonzerne haben sich nicht über rechtliche Maßnahmen vor Kritikern schützen können, was zu einer dramatischen Rufschädigung geführt hat. Zu Änderungen hat Kritik oft in der Modeindustrie geführt, wo sie Arbeiter in dritten-Welt-Ländern jetzt nicht mehr ganz so viel ausnützen können wie bisher). Österreichische Firmen werden vom Staat mehr vor Kritik und Anschuldigungen beschützt und deshalb ist es bei uns schwieriger Druck auszuüben. Auch die Firmenbesitzer kann man in den USA ohne weiteres kritisieren.

An dieser Stelle möchte ich zu einem weiteren Vorteil der freien Meingungsäußerung kommen, nämlich dass es kulturelle Fortschritte ermöglicht. Das sieht man auch wieder an einem Vergleich zwischen Österreich und den USA. In den USA gibt es eine lebhafte Erinnerungskultur, sie arbeiten ihre vergangenen Verbrechen (gegen Schwarze, Einheimische, Frauen oder Opfer ihrer Außenpolitik) extrem gut auf. In Österreich sieht die Lage dramatisch anders aus. Hier gibt es eher eine Art Erinnerungsanomalie. Es gibt ein Bewusstsein wenn es um die Verbrechen der Nationalsozialisten geht, aber da hört es dann schon auf. Der Grund für die Anomalie ist offensichtlich: es liegt daran, dass die Amerikaner nach dem 2.WK die Deutschen gezwungen haben ihre Geschichte aufzuarbeiten, und mit der Zeit ist das auf Österreich übergeschwappt. Aber die angebliche "Erinnerungskultur" beschränkt sich auf den Nationalsozialismus und andere historische Verbrechen von mächtigen Akteuren wurden nicht aufgearbeitet (v.a. Monarchie und Kirche), weil es den Amerikanern ja nur um den 2.WK gegangen ist. 

Es ist notwendig dass man den Staat, die Kirche, Firmen, etc. kritisieren darf ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, dann können offene Diskussionen entstehen die das Bewusstsein der Menschen verändern können. Wenn einige (wenige) Dinge als "Geschichtsverleugnung" oder "Wiederbetätigung" festgelegt und vom Verfasungsschutz verfolgt werden, dann hat vielleicht jeder Journalist, Politiker, Richter oder Universitätsprofessor ein gutes Gefühl dabei. Die können sich dann so vorkommen als hätten sie die Nazis nocheinmal besiegt und klopfen sich dann selbst und gegenseitig auf die Schultern dafür. Aber, wie schon gesagt, soetwas passiert nur extrem Selektiv, was die Legitimität einer solchen Politik untergräbt (zumindest in meinen Augen..). Wenn in der Schule über die Monarchie gerredet wird, wird eigentlich nur Höflingspropaganda unterrichtet und Überschriften wie "Verbrechen der Habsburgermonarchie in Osteuropa" oder "Adelige schlagen Bauern nieder um ihre Privilegien zu schützen" sucht man vergeblich. Dafür lernt man wie peinlich es für eine Adelige war, dass sie einen Kaffefleck auf einem Dokument hinterlassen hat 🙄 oder wie sich Höflinge darüber beschweren, dass das dreckige Fußvolk gegen das eine oder andere Infrastrukturprojekt ist, obwohl die heiligen Adeligen und ihre Höflinge doch wissen dass es notwendig ist... Über die Kirche könnte man auch viel sagen.. v.a. zur Zeit der Gegenreformation, aber belassen wir es bei diesen kleinen Beispielen. 

Abschließend möchte ich noch einen weiteren Grund anspechen warum Bürgerliche gegen zu viel freie Meinungsäußerung sind, nämlich dass es nicht im finanziellen Interesse von Firmen ist. Ich hab einmal eine Diskussionsrunde der Arbeiterkammer gesehen, wo es um die Panama Papers ging. An dieser Diskusionsrunde haben 3 Leute teilgenommen, ein Journalist, ein Universitätsprofessor und ein Dritter wo ich nicht mehr genau weiß was der beruflich gemacht hat (der Dritte war mir persönlich allerdings am sympatischsten xD). Für meine Zwecke hier in dem Blog ist mir jetzt nur eine Aussage des Journalisten wichtig. Der hat nämlich versucht zu rechtfertigen warum sie die Namen der Firmen die Steuern hinterzogen haben nicht veröffentlichen. Da hat er gesagt "Er will ihnen [Anm: den Firmen] keine Axt in den Rücken hauen". Das hat mich persönlich schockiert, weil man hier die Werte der Journalisten (und Bürgerlichen im Allgemeinen) gut sieht: Nämlich der Rufschutz steht über der Wahrheit. Auch wenn sie es schwarz auf weiß auf Dokumenten stehen haben welche Firmen wo ihr Geld bunkern um Steuern zu vermeiden, weigern sie sich dass sie diese Informationen veröffentlichen, weil es den Ruf der Firmen schädigen würde. Oder Allgemein: Sie wollen verhindern, dass sich die Aktivitäten der Firmen auf ihren Ruf auswirken. Wenn die Beweislage zu einem schlechten Ruf führen würde, dann gehört die Beweislage unter den Teppich gekehrt, weil man will den heiligen armen Firmen ja keine "Axt in den Rücken hauen", das wäre unhöflich.. 

Deshalb glaube ich auch nicht, dass es diesen Leuten nur darum geht arme Reiche vor unfairer Rufschädigung zu schützen, da sie sich ja ihren guten Ruf mit jahrelanger harter Arbeit (verzwick dir das Lachen...) aufgebaut haben, sondern es geht ihnen einfach nur darum dass der Obrigkeit (ob das jetzt der Staat ist, ein Politiker, eine Firma oder die Kirche) ein guter Ruf zusteht, unabhängig von dem was sie tun! Denk vielleicht auch an diese Haltung, wenn sich diese Leute selbst als "kritische Journalisten" darstellen. "Höflinge" oder "Ringküsser" wäre eine ehrlichere Bezeichnung für diese Leute...

 

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